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MarmaYoga im Interface "Mensch und Maschine"/ Prof. Rocque Lobo

Seit Jahrzehnten werden in der Automobilindustrie hauptsächlich in der Aufarbeitung von Unfallereignissen die besonders leicht verletzbaren Stellen am menschlichen Körper angeschaut, die beim Aufprall beschädigt werden können. Immer mehr Vorrichtungen zum Schutz solcher Stellen werden entwickelt und finden ihren Weg in die PKW`s und LKW`s auf dem Markt. Mittlerweile ist in dieser Forschung und Entwicklung der Gedanke der Prävention auch aufgekommen. Konstruktionen, die Verhaltensveränderungen im Sinne der Unfallverhütung unterstützen, werden erprobt, entwickelt und auf den Markt gebracht. Besonders wichtig bei der Erprobung solcher Konstruktionen im Sinne der Unfallverhütung ist auch der Gedanke der vollen Erhaltung der Selbstregulationsfähigkeit des Fahrers.

Dazu gehört sein psychophysiologisches Selbstverständnis, sein Verständnis über seinen eigenen jeweiligen Standort in Raum und in der Zeit, seine Kraft und die körperlichen Ressourcen, auf welche er bei Dauerbelastung zurückgreifen kann, seine von diesem Selbstverständnis ausgehende Reaktionsfähigkeit und die Abschätzung der Gefahren, die aus seiner unmittelbaren Umgebung bedrohend auf ihn zukommen. In diesem Zusammenhang ist der Umgang mit den „Warn - und Wachposten seines Organismus”, den im indischen Yoga Marma genannten Organisationszentralen seiner Selbst - und Fremdwahrnehmung von eminenter Wichtigkeit. Bewußtseinszustände sind in diesem Selbstverständnis verankert und der „Sekundenschlaf” am Steuer demgemäß kein „zufälliges Ereignis”. Das Grundprinzip der „körperorientierten Philosophie des Yoga”, welche auch die Grundlage für die ayurvedische Gesundheitswissenskunst liefert, ist nicht das losgelöste Verständnis des Menschen von sich selbst, das sich in einem reinen Res Cogitans oder einer reinen Vernunft in einer prä-stabilisierten Harmonie mit der Welt als „Bei - sich - Sein” im Verständnis seines eigenen „Beim - Andern - Seins” äußert. Die Relativität des Selbstverständnisses kommt in dieser „Körperphilosophie” als Bewußtsein vom Verhältnis zur Umwelt zum Ausdruck. Maschinen sind gestaltete Verhältnisse und nicht nur Gestelle im Sinne des Existentialismus, welche dieses Bewußtsein bei menschlichen Körpern, die sich in Bewegung befinden durchaus drastisch verändern und verstellen können.

Der physiologische Ausdruck solcher drastischer Veränderungen des körperlichen Selbstbewußtseins ist die Unfähigkeit sich selbst zu regulieren. Das am raum-zeitlichen Vor- und Selbstverständnis sich orientierende „Feedforeward - System”, das unsere Temperatur-, Appetit-, Muskelbewegungen und sogar unsere Langzeit - Zukunftsperspektiven entwirft, wird vom Feedbacksystem unserer Bewegung im Raum und in der Zeit verändert. Dimensionen verschieben sich bei starker Mobilität der sich selbstbewegenden Maschinen und das Verständnis für diese dimensionale Verschiebung liegt im Verständnis des Interface zwischen Mensch und Maschine, im Verständnis des Menschen für das Verhältnis seiner selbst zu seiner gestalteten Umwelt. Erst wo dieses Verständnis unterbunden wird, verliert der Mensch die innere und äußere Orientierung: Der „Unfall” ist vorprogrammiert.

Die Zusammenarbeit des Instituts für Gesundheitspädagogik mit der Autoindustrie hat in den letzten Jahren auch unser ohnehin recht umstürzlerisches Verständnis von Yoga und Ayurveda weiter präzisiert. Wir konnten durch langwierige Versuche feststellen, dass starke Mobilität im Raum eine Reihe von Selbstregulationsstörungen hervorrufen kann. Die Unfähigkeit der Fahrer, nach einer mehrstündigen Fahrt ein konstantes Körpergewicht zu halten, oder große Schwankungen bei der orthostatischen Regulation ihres Blutkreislaufs einzudämmen, und die Dehnfähigkeit ihrer Skelettmuskulatur in den Yoga-Asanas und die Stabilität ihrer Atem - und Kreislauffunktionen in Prana - yama zu demonstrieren, wird mittlerweile in komplexen Untersuchungsdesigns an mehr als 100 Probanden in mehr als 1000 Stunden Fahrzeit festgestellt. Eine weitere Erkenntnis haben die Ergebnisse eines Teils dieser Versuche gebracht, in welchen das Feedforeward - Feedbacksystem der menschlichen Lokomotion verstärkt durch Unterbrechungen wie durch „Stolpersteine” auf dem Weg irritiert wurde. Das führte bei Fahrten von längerer Dauer (zwei bis drei Stunden) sogar zur anhaltenden Erhöhung des Blutdrucks bei 11 der 15 untersuchten Autofahrer. Demnach ist es nicht unwichtig zu wissen, wie die maschinelle Konstruktion eine solche Verstärkung bzw. eine Verminderung der Irritation der Selbstregulationsfähigkeit des menschlichen Organismus erzeugt, um diese Irritation beeinflussen bzw. beseitigen zu können. In der Arbeit von Yogalehrern in der Gesundheitsvorsorge nehmen diese aus der Unfallverhütung gewonnenen Kenntnisse eine immer zentralere Rolle ein.

Die Ausbildung zum Marma-Yoga - Lehrer und zum Gesundheitspädagogen haben diese spezielle Prägung für den Einsatz in mobilen Wohn - und Arbeitsplätzen bekommen.

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